Kind als Schaden, Mabuse-Verlag

Verlag: Mabuse-Verlag; Auflage: 1 (Mai 2003)

Preis: 14,90

ISBN-10: 3935964137

ISBN-13: 978-3935964135

Mit der „höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Arzthaftung für den Kindesunterhalt bei unerwünschter Geburt eines gesunden, kranken oder behinderten Kindes“ beschäftigt sich die Medizinrechtsexpertin Ulrike Riedel, die im letzten Jahr auch der Enquetekommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ des Deutschen Bundestages angehörte.

Für eine Hebamme recht mariniert hört sich der Untertitel an und ich empfehle jeder Kollegin, sich nicht davon beeinflussen zu lassen: Jede von uns, die einen gewissen Anspruch an ihre Arbeit hat und auch nur am Rande mit PND zu tun hat, sollte dieses, nur vom Umfang her, dünne Büchlein lesen.

Da sich die Juristin an interessierte Laien wendet, fällt Nachschlagen von juristischem Vokabular weg, ich fühlte mich nach zwei Abenden dieser, zugegeben ungewöhnlichen, Bettlektüre gut informiert. Anhand ausgewählter Urteile der vergangenen dreißig Jahre gewährt die Autorin Einblick in die historische Aufarbeitung ärztlicher Kunstfehler im Zusammenhang mit Schwangerschaft. Wurden einst Mutterband und Eileiter miteinander verwechselt, ersteres anstelle letzterem durchtrennt und dem Arzt die nachfolgende Schwangerschaft und somit der Kindesunterhalt angelastet, stehen Ärzte heute vor allem wegen fehlerhaft durchgeführter Aufklärung der PND und/oder Dokumentation vor Gericht.

Sehr anschaulich belegt die Autorin weshalb z. B. keine ärztliche Pflicht besteht, Frauen zur PND zu drängen oder ihnen gar zu einem Schwangerschaftsabbruch zu raten. So schreibt in ihrem Vorwort die Leiterin des Instituts „Mensch. Ethik und Wissenschaft“, Dr. Katrin Grüber: „Aus der Expertise könnte etwa gefolgert werden, dass die Verantwortung für die Ausuferung der PND an die Ärzteschaft zurückgegeben werden sollte und kann“.

So handle der Arzt nicht pflichtwidrig, „wenn er – wozu er berufsrechtlich und nach der ärztlichen Ethik auch verpflichtet ist – im Interesse des Lebensrechtes des ungeborenen Kindes, unter der Voraussetzung einer vollständigen Information und Aufklärung der Schwangeren, zum Verzicht auf einen Abbruch der Schwangerschaft ermutigt“.

Differenziert beleuchtet die Juristin auch unterschiedliche Auslegungsweisen von Gerichten und erkennt folgendes: „Problematisch ist, dass sich Frauen, die mit ihrer Klage Erfolg haben wollen, als psychisch instabil und anfällig darstellen müssen, sofern es nicht ausnahmsweise um eine Gefahr für die physische Gesundheit der Frau geht“. Psychiatrische Gutachten werden hier in Zukunft vermehrt zur Klärung eines Unterhaltsschadensersatzes benötigt werden.

Das Buch fordert zu einer differenzierten Betrachtung aus juristischer Sicht auf, schärft das genaue Hinsehen und bietet dem interessierten Laien den Einblick, wie Gerichtsurteile, neben vielen anderen Faktoren, durch eine (Fehl)Interpretation von Ärzten als Aufforderung verstanden werden Medizintechnik, hier PND, weiter auszuweiten.