Man nennt sie Sternenkinder

Es tut unendlich weh ……………

 

 

…………… körperlich wie seelisch. Wenn du spürst und dir gesagt wird, dass dein Kind nicht mehr lebt, empfindet man ………? Was empfindet man in dieser Sekunde? Komplette Leere? Trauer? Wut? Angst?

 

Die Tränen kommen und glauben will man es nicht.

 

Dies ist unsere Geschichte:

 

Im Juli 2009 konnten wir unsere Tochter gesund zu Hause zur Welt bringen. So positiv davon gestützt, wollten wir gerne noch ein weiteres Kind. Im März 2011 standen die Gefühle und Anzeichen noch nicht ganz auf Schwangerschaft, da war es auch schon wieder vorbei. Bevor wir uns bewusst wurden, dass es geklappt hat, verloren wir das Kind bereits in der 5. oder 6. SW. Zuerst dachten wir, es ist ein Magen-Darm-Infekt, dieser war bei uns in der Gegend gerade auch stark verbreitet. Doch bald war klar, dass hier etwas anderes passiert. Die Schmerzen im hinteren Rücken und Oberschenkel wurden immer massiver. Kurz darauf ging das Kind auch ab.

 

Danach, als es in meinem Kopf endlich ankam, dass ich gerade ein Kind verloren habe, fühlte ich mich irgendwie leer. Konnte es nicht glauben, dass wir das Glück hatten, so schnell wieder schwanger zu werden und es aber wieder so schnell verlieren könnten. Zuerst versucht man, dass selber mit sich aus zu machen. Doch dein Körper zeigt Dir schnell, dass dieser Weg nicht der Richtige ist. Meine Blutungen waren nach der Fehlgeburt sehr stark. Ich suchte Hilfe und Rat bei meiner Hausgeburtshebamme Martina. Sie half mir und uns einen Weg zu finden, wenn wir soweit waren, uns von dem Kind zu verabschieden. Unser Kind, das nur kurz bei uns war, ist in unserem Herzen und hat symbolisch einen Platz als Pflanze in unserem Garten gefunden.

 

Wir schauten wieder nach vorne, mit der Zuversicht, dass wir unserer Tochter bald ein Geschwisterchen schenken können. Das Glück war perfekt, als im August der Schwangerschaftstest positiv war. Diesmal waren wir uns sicher. Die Glückshormone taten ihr übriges. Während der Schwangerschaft traten immer wieder ganz leichte Blutungen auf. Was aber bei vielen Frauen so vorkommt. Deshalb versucht man hier Ruhe zu bewahren. Keiner hat ja auch gesagt, dass die nachfolgenden Schwangerschaften so verlaufen würden wie die Erste. Freudig haben wir Martina auch gleich eingeweiht. Wenn alles gut verlaufen würde, war es für uns selbstverständlich, dass dieses Kind auch zu Hause zur Welt kommen soll. Unser Kind durften wir zu Hause gebären, leider nur viel zu früh. In der 10. SW verloren wir auch dieses Kind. Am Tag der geplanten ersten Ultraschalluntersuchung bekam ich morgens starke Blutungen. In diesem Moment beherrschte einen nur die Angst. Hoffend, aber doch wissend, dass auch dieses Kind nicht mehr lebt, saß ich auf unserem Bett und fuhr mir über meinen noch nicht vorhandenen Bauch. Man möchte es nicht wahrhaben. Die Frage „Warum“ taucht auf einmal auf. Auch die Selbstzweifel, etwas falsch gemacht haben zu können, kriechen immer schneller in deinen Kopf. Wie betäubt gingen wir zu unserer Ultraschalluntersuchung. Meinem Mann habe ich davor bereits telefonisch mitgeteilt, welche Befürchtung ich habe. Nun sitzt du in dem Wartezimmer, wo glückliche Mütter mit ihrem Babybauch dasitzen und du, die schon fühlt, dass gleich der Arzt die niederschmetternde Antwort gibt, dass dieses Kind nicht mehr lebt. Du kannst es nicht unterdrücken, die Frage „Warum“ taucht immer wieder und schneller auf. Unser Frauenarzt war sehr einfühlsam. Zunächst wollte er es uns nicht gleich bestätigen. Schaute lieber noch zwei Mal auf den Monitor, bevor er es aussprach. Ich selber sah es gleich, kein Herzschlag, keine Bewegungen. Nur ein kleiner fast vollständiger Körper. Für mich war es, bevor die Tränen kamen, aber auch wieder ein Wunder, was die Natur hier schafft. Wie gebannt musste ich dieses Kind ansehen und dann kamen nur noch Tränen.

 

Wieder daheim lag ich wie leer in meinem Bett. Ich fühlte mich so unendlich leer, obwohl das Kind noch da war. Die Gedanken zerrissen mich. Auf der einen Seite wollte ich dieses Kind so schnell wie möglich weg haben. Es lebte nicht mehr. Warum also soll es noch in meinem Körper sein. Auf der anderen Seite wollte ich dieses Kind beschützen. Beschützen so wie die letzten Wochen zuvor mit meinem Körper. Die Überweisung zur Ausschabung hatte ich bereits erhalten, was aber tun? Unser Frauenarzt war sehr verständnisvoll. Da bei mir bereits Blutungen eingesetzt hatten, gab er uns über das Wochenende Zeit. Die Chancen würden gut stehen, dass wir das Kind auf natürlichem Wege verlieren könnten.

 

Mit diesen vielen ungeordneten Gedanken und Gefühlen in unseren Köpfen kam Martina am nächsten Tag zu uns nach Hause. Die größte Hilfe, da ist ein Mensch, der hört dir zu, der kann dich verstehen und er nimmt dich einfach in den Arm und hält dich fest. Sie half mir, meine Gedanken und Gefühle zu sortieren, unterstützte mich und half vor allem, dass ich meinen Weg finde. In meinem Gefühlchaos fand Martina auch einen schönen Weg, unserer Tochter zu erklären, warum die Mama so traurig ist. Ich war ihr hier so unendlich dankbar, ich hätte es nicht geschafft. Am Abend, als mein Mann vom Geschäft nach Hause kam, nahm ich ihn in den Arm und hielt in fest. Ich hörte im zu und wir beide fanden unseren Weg wie wir das Kind verlieren wollen und auch wie wir mit unserer Trauer umgehen möchten. Hier kommen mir noch immer die Tränen. Durch mein zurück gewonnenes Vertrauen in meinen Körper und den Rückhalt meines Mannes stand fest, dieses Kind soll auch zu Hause zur Welt kommen. Ich denke, dass ab diesem Moment das Kind spürte, dass es jetzt gehen kann. Am nächsten Tag wurden die Wehen schon stärker und ich suchte die Ablenkung bei meinen Eltern, da mein Mann leider an diesem Tag arbeiten musste. Innerlich sagte ich immer zu unserem Kind, warte noch ein bisschen, bis alle wieder zu Hause sind. Mein Mann kam nach Hause und ich war mir sicher, dass wir das Kind diese Nacht noch verlieren werden. Ab 22.00 Uhr ging es los. Martina hat mich bereits auf die bevorstehenden Schmerzen vorbereitet. Die Intensität der Wehen würde sogar etwas stärker sein. Ich konnte es nicht greifen und mir nicht vorstellen, bis ich es erlebte. Diese Fehlgeburt war absolut anders als die Erste. Die Wehen waren tatsächlich länger und intensiver. Und es fühlte sich wirklich wie eine Geburt an. Der einzige Schmerz, wenn das Kind mit seinem Kopf durch den Geburtskanal drückt, war hier nicht da. Um 1.30 Uhr gebar und verlor ich unser Kind.

 

Nun war mein Körper leer.

 

Doch diese Leere war in Ordnung. Unser Kind hat gehen dürfen. Wir waren sehr froh, dass wir das Kind bei uns zu Hause verlieren durften.

 

Auch dieses Kind hat einen Platz in unserem Garten gefunden. Es darf als Apfelbaum in der Nähe vom Sandkasten unserer Tochter wachsen. Als guten Dünger haben wir die Plazenta von der Geburt unserer Tochter mit eingegraben.

 

Es folgten danach trotz allem noch einige Höhen und Tiefen. Auch folgten noch viele intensive Gespräche mit Martina und die Erkenntnis, dass es die Frage „Warum“ einfach hier nicht gibt. Man kann sich die Frage stellen, aber will man sich wirklich an dieser Frage „aufgeben“. Wichtiger für mich und uns war es Angst, Trauer und Wut zuzulassen. Lernen damit umzugehen und hieraus wieder seinen Weg zu finden. Wir als Familie sind in dieser Zeit wieder etwas weiter zusammengerückt.

 

Wir gehen mittlerweile mit unseren Fehlgeburten offen um. Sollte aus unserem Umfeld mal wieder die Frage kommen, wann unsere Tochter denn ein Geschwisterchen bekommt, sagen wir offen warum dies noch nicht geklappt hat. Erstaunlicher weise bekommen wir durch diese offensive Haltung viel Feedback. Selbst Ehemänner haben uns bereits eröffnet, dass auch sie schon eine oder mehrere Fehlgeburten erlebt hatten.

 

Ich würde mir wünschen, dass die Menschen sich mit diesem Thema nicht hinter den Mauern verstecken würden. Man muss hierfür keine Scham verspüren. So natürlich es ist, Kinder zu bekommen, ist es leider aber auch so, dass viele Kinder wieder verloren gehen. Für mich hat sich durch unsere offene Art mit diesem Thema herausgestellt, dass es ohne Frage nicht schön ist ein Kind zu verlieren, aber auf der anderen Seite wieder was ganz natürliches ist.

 

Wir sind zuversichtlich und geben nicht auf. Unsere Tochter wird noch ein Geschwisterchen bekommen. Und darauf freuen wir uns.

 

Christina (31 Jahre)