Rene Kugelart

 

Ich will versuchen in Worte zu fassen, wie ich die Hausgeburt unseres ersten Kindes erlebt habe, auch wenn Worte nicht immer alles beschreiben können. Aber beginnen wir von vorn.

Bereits das „Schwanger werden“ verlief bei uns sehr problemlos. Wenn ich Vergleiche zu Paaren aus unserem Bekanntenkreis ziehe. Wie lange andere Paare auf die Schwangerschaft warten müssen.

Als die Schwangerschaft bei der Frauenärztin bestätigt war, stellte sich die Frage nach einer Hebamme. Für meine Frau kam nur eine ambulante Entbindung oder ein Geburtshaus in Frage. Meine Frau rief daraufhin eine Hebamme an, die sie vom Hörensagen bereits kannte. Beim ersten Gespräch stellte sich heraus, dass diese Hebamme nur Hausgeburten begleitet. Für mich war dies eine nicht erwartete Wendung. Ich wusste gar nicht, dass es heutzutage überhaupt möglich ist, zu Hause sein Kind zu bekommen. In der hochmodernen Zeit mit den vielen Apparaten im Krankenhaus hielt ich dies nicht für möglich. Nach einigen Gesprächen mit meiner Frau stand nach ca. 2 Tagen für uns fest: Das ist das Richtige für uns. Meine Frau meldete sich bei der Hebamme an und diese kam zum ersten Gespräch zu uns nach Hause.

Der „Funke“ sprang sofort zwischen uns über. Das Verhältnis zu der Hebamme war sofort sehr freundschaftlich und familiär. Hier fühlten wir uns wohl. Bereits beim ersten Gespräch wurden wir über die Für und Wieder einer Hausgeburt beraten. Selbstverständlich ist kein Operationssaal im Nebenraum, in dem kurzerhand doch noch ein Kaiserschnitt gemacht werden kann. Aber warum soll man nicht der Natur ihren Lauf lassen. Wenn die Schwangerschaft normal verläuft und keine Komplikationen im Vorfeld erkennbar sind, dann ist nach meiner Meinung das „Restrisiko“ nichts im Vergleich zu dem Verlauf der Schwangerschaft und Geburt im gewohnten Umfeld der eigenen vier Wände. Einige Komplikationen treten sogar erst durch das Krankenhaus auf. Früher war es ganz normal, dass man sein Kind zu Hause bekommt. Kurzum. Die Entscheidung war gefallen.

Die Hebamme übernahm auch alle Vorsorgeuntersuchungen während der Schwangerschaft, so dass man sich immer besser kennen lernte. Ganz nebenbei war die Hebamme dann über den Schwangerschaftsverlauf und den Gesundheits- und Fitnesszustand meiner Frau bestens informiert. Dann rückte der Tag der Entbindung näher. Da dies unser erstes Kind war, wussten wir natürlich nicht wirklich, was uns erwarten würde. Theorie und Praxis sind halt doch ganz verschiedene Dinge. Alle Utensilien zur Geburt (laut Liste der Hebamme) waren schon längst hergerichtet und besorgt. Nur das Kind ließ 5 Tage über Termin immer noch auf sich warten. Am Abend des fünften Tages ließ dann eine vermeintliche Senkwehe nicht mehr nach. Es war also so weit. Meine Frau legte sich erst einmal in die Badewanne. Nach ca. 3 Stunden riefen wir dann die Hebamme das Erste mal an, um sie zu informieren, dass es wohl diese Nacht so weit ist. Weitere 2 Stunden später wollte dann meine Frau, dass ich die Hebamme nochmals anrufe und diese eventuell dann kommen kann. Die Hebamme traf dann Nachts gegen 23:00 Uhr bei uns ein. Von da an hatte meine Frau die ganze Zeit eine erfahrene Hebamme an ihrer Seite. Wir haben noch nie im Krankenhaus entbunden, aber ich glaube nicht, dass dort eine Hebamme über 12 Stunden Zeit für eine einzige Gebärende hat.

Im Verlauf der Geburt konnten wir verschiedene Räume in unserer Wohnung nutzten, ganz wie meine Frau es gerade wollte. Kurz vor der Austreibungsphase schickte die Hebamme meine Frau nochmals in die Badewanne und gab ihr ein homöopathisches Mittel. Dies hatte zur Folge, dass die Wehenpausen etwas größer wurden und meine Frau nochmals Kraft für die Austreibungsphase sammeln konnte. Der Moment, als das Kind dann geboren vor uns lag, noch mit der Nabelschnur verbunden, lässt sich leider nicht ausreichend in Worte fassen. Das muss wohl jeder selbst erleben. Leider stellte sich dann recht schnell heraus, dass unser Junge nicht normal atmete. Es waren ungewöhnliche Atemgeräusche zu hören. Aber da das Kind rosa wurde und sonst soweit OK war, blieb ich erst einmal ruhig und ließ die Hebamme ihre „Arbeit“ machen. Die Plazenta war recht schnell geboren und die Nabelschnur durchtrennt. Aber die Atmung normalisierte sich immer noch nicht. Als dann die Hebamme sagte, dass Sie in 15 Minuten das Kind verlegen wolle, wenn dies nicht besser wird, da wurde mir erst die Lage bewusst. Die Hebamme legte das Kind sowohl meiner Frau als auch mir ein paar Minuten auf die nackte Brust. Das war einfach ein herrliches Gefühl. Dann waren leider die 15 Minuten um und wir mussten aufbrechen. Die Hebamme informierte per Telefon die Kinderklinik und meldete uns dort direkt auf der Intensivstation an. Ich fuhr selbst zur Klinik und die Hebamme kümmerte sich auf dem Rücksitz um das Kind. Ich bin noch nie in meinem Leben so vorsichtig, mit so einer wertvollen Fracht gefahren. In aller Ruhe sind wir direkt zum Krankenhaus gefahren und zur Kinderklinik-Station gegangen. Dort angekommen wurden wir bereits von einer Krankenschwester erwartet und der Brutkasten war bereits vorbereitet. Die Instrumente zeigten, dass Puls und Sauerstoffsättigung vollkommen in Ordnung waren. Die Atemfrequenz war etwas zu hoch. Der Arzt war dann auch schnell zur Stelle und unterhielt sich mit der Hebamme. Ich kann heute nicht mehr sagen, was dabei alles geredet wurde. Es war mir auch egal. Die Hebamme hatte alle nötigen Informationen und der Arzt würde schon wissen, was nötig war. Es bestand keine unmittelbare Gefahr für unser Kind. Die Hebamme fuhr dann nach kurzer Zeit wieder zu meiner Frau nach Hause. Ich wartete noch die erste Untersuchung des Arztes ab und wurde von Ihm dann aber nur informiert, dass das Blut erst untersucht werden muss und dies würde mindestens 2 Stunden dauern. Da mein Kind jetzt bestens versorgt war fuhr ich dann lieber wieder zu meiner Frau nach Hause. Später stellte sich dann heraus, dass das Kind einen Infekt hatte, der mit Antibiotika behandelt werden musste. Woher dieser Infekt kam und welcher Erreger dies war, werden wir wohl nie herausfinden. Nach einer Woche konnten wir unseren Rene dann endlich zu Hause willkommen heißen.

Die Hausgeburt selbst war ein einmaliges Erlebnis, das ich nicht missen möchte. Die Verlegung des Kindes wurde leider nötig. Aber trotz allem. Selbst wenn ich vorher wüsste, dass das Kind verlegt werden muss, würde ich wieder eine Hausgeburt machen.

 

Der glückliche Vater

                        Joachim Kugelart