Erstes Kind mit 46 Jahren

Meine anstrengenste Lebenszeit waren bislang meine ersten vier Schwangerschaftsmonate. Ich hatte nach Jahrzehnten Kinderwunsch das Thema schon abgehakt, dachte an Wechseljahre und hatte meine Lebensperspektive ganz anders ausgerichtet, als eine Routineuntersuchung beim Frauenarzt ergab: Das Ausbleiben der Monatsblutung ist eine Schwangerschaft.

Ich war vom ersten Moment an ambivalent. Mein Mann war dagegen überglücklich. Sofort nahm ich jegliche Untersuchung war, die mir vom Arzt empfohlen wurde. Mir ging es aber immer schlechter, psychisch, obwohl ich nicht unter Übelkeit und Erbrechen oder sonstigen Beschwerden litt. Meine Familie machte sich große Sorgen um mich. Mein Mann besprach sich mit Ärzten, während mir meine Cousine dringend riet, zu einer Hebamme zu gehen. Ich vereinbarte mir ihr einen Termin und bereits nach kurzer Zeit ging es mir irgendwie besser. Mir war leichter zumute, obwohl sie kaum etwas sagte und mir nur zuhörte. Nachdem ich ungefähr zwei Stunden geredet hatte, schwieg sie sehr lange und stellte dann eine Frage: „Täusche ich mich oder fühle ich bei Dir eine Opferhaltung, weil Du meinst dankbar sein und deshalb alles an Untersuchungen machen zu müssen wegen Deiner späten Schwangerschaft?“. Es war unglaublich. Meine Tränen waren nicht mehr zu stoppen. Ich weinte ewig und die Hebamme saß da und ließ es einfach geschehen. Sie zeigte mir später, wie ich über Selbsthypnose weiter zu meiner Ambivalenz vordringen kann und ich spürte beim nächsten Arztbesuch deutlich, dass die Ambivalenz auch den Arzt betraf. Auch er hatte ein Problem mit meiner späten Schwangerschaft. Ich sprach ihn direkt darauf an und er meinte: „Also wenn Sie mich so danach fragen, meiner Frau hätte ich in Ihrem Alter dringend zu einem Abbruch geraten.“ Ich fragte ihn, ob das mit dem Down-Syndrom zusammen hinge und er fragte erstaunt zurück: „Ja, womit denn sonst?“ Mein Mann konnte nicht verstehen, dass ich noch weiter zu diesem Arzt zum Ultraschall wollte, er fand die Einstellung unmöglich, schließlich sei jedes Kind bei uns willkommen, doch ich schätzte den Arzt wegen seiner Ehrlichkeit und wollte ihm seine Einstellung nicht zum Vorwurf machen. Ich war auch froh zu erkennen, dass meine Depression zu Beginn der Schwangerschaft nicht mit mir alleine zu tun hatte, sondern war dankbar um diesen Erkenntnisgewinn. Mich hatte das selbstbewusster gemacht, weil ich merkte, dass Ärzte auch nur Menschen sind, mit Einstellungen, die nicht unbedingt zwingende medizinische Gründe haben müssen, denn wir hatten von Anfang an gesagt, dass wir ein Kind nur wegen Behinderung niemals abtreiben würden. Und er hatte die ganzen Untersuchungen wegen dem Ausschluß einer Behinderung, die für uns ja keine Konsequenz gehabt hätte, empfohlen, wie er nun zugab. Das war schon kurios. Ich bin heute noch froh und dankbar, dass dem Kind durch diese Untersuchungen nichts passiert ist.

Ich habe dann nach dieser ganzen Erkenntnis nach der 16. SSW nur noch einen Ultraschall durchführen lassen und die Vorsorgeuntersuchungen alle bei meiner Hebamme gemacht. Unseren Buben habe ich dann nach sechs Stunden kräftiger Wehentätigkeit (insgesamt 16 Stunden mit den kurzen Wehen gerechnet), zuhause bekommen. Die Geburt empfand ich als knochenharte Arbeit. Sie hat mich aber irgendwie stärker gemacht, weil ich sie selbst ohne Kaiserschnitt geschafft habe. Wir haben vorher nichts von der Hausgeburt gesagt. Fast jeder ging von einem geplanten Kaiserschnitt aus. Auch der Arzt, der mich beim letzten Ultraschall gar nicht nach meinen Geburtswünschen fragte, stellte mir einfach eine Überweisung für die Klinik aus und sagte: „Das ist schon richtig so, dass die Kollegen Ihnen sicherlich dringend zu einem Kaiserschnitt bei diesem Kind in Ihrem Alter raten“. Er war also wieder von seiner Einstellung ausgegangen ohne nach meiner zu fragen, geschweige denn, mich überhaupt anzuhören.

Abschließend kann ich sagen, dass mich diese Schwangerschaft und Geburt mehr zu mir geführt hat. Ich fühle mich seitdem wohler in meiner Haut und lasse mich nicht mehr so leicht verunsichern. Ich frage kritischer und schäme mich nicht mehr so sehr zuzugeben, wenn ich etwas nicht verstanden habe. Das weicht jetzt vielleicht etwas von einem üblichen Geburtsbericht ab, gehört aber zu meinem dazu.