Angelina Sophie

11. September:

Gegen 23.00 Uhr vernahm ich eine leichte Wehentätigkeit. Dennoch gelang es mir bis morgens 4, halb 5 zu schlafen.

 

12. September:

Nach dem Aufwachen hatte ich immer noch Wehen, jedoch waren diese nicht sehr stark und auch noch nicht regelmäßig.

Deswegen verbrachte ich die Zeit nach dem Frühstück damit, Ralf die Haare zu schneiden und mit meiner Mutter frisches Obst und Gemüse für die Geburt einkaufen zu gehen, da ich spürte, dass es bald soweit sein würde. Nachdem wir eine Weile shoppen waren überkam mich letztendlich im Supermarkt eine Art Schwindelgefühl, dass wohl vom Oxitocin ausgelöst wurde, sodass ich nun doch lieber wieder heim wollte.

 

Wieder zurück zu Hause zeigte ich Ralf die Stelle im Garten, wo das Rosenbäumchen für Angelina Sophie eingepflanzt werden sollte.

Er machte sich sogleich an die Arbeit, hob den alten Baum mit all seiner Kraftanstrengung aus und bereitete das so entstandene Loch für das „Geburtsbäumchen“ vor.

Ich begann während dessen schon einmal das Badezimmer, wo die Geburt stattfinden sollte, zu dekorieren.

 

Gegen 18.00 setzten Ralf und ich uns zusammen, um die Schwangerschaftsbilder vom Fotoshooting durchzuschauen und uns diejenigen auszusuchen, die uns beiden am besten gefielen. Während dessen wurden die Wehen stärker und begannen häufiger hintereinander zu erscheinen…

 

Um 19.00 Uhr aßen wir zusammen mit meinen Eltern zu Abend. Während dessen wurden die Wehen so stark, dass ich nach einem Teller Bohneneintopf abbrechen musste. Ich konnte einfach nicht mehr sitzen.

 

19.30 Uhr: Ralf und ich wollten das Aussuchen der Fotos abschließen, es fiel mir schwer mich zu konzentrieren. Zum Glück hatten wir nur noch etwa sieben Bilder durchzugehen. Ich konnte nicht neben ihm sitzen, lief die ganze Zeit hin und her, hatte eine recht starke Wehe, nach etwa 5 Minuten Pause die nächste usw. …

 

Kurz vor 20.00 Uhr hatten wir die Fotogeschichte beendet. Ich lief nun im Wohnzimmer auf und ab. Ich bemerkte wie Ralf plötzlich etwas nervös wurde: Er musste noch geschäftlich telefonieren, ging dazu nach draußen, um auch noch eine Zigarette zu rauchen und nahm sich ein Hefeweizen mit.

Mama begann während dessen meine Wehen und deren Abstände zu notieren…

 

Ich war  schon seit vier Uhr morgens wach und begann allmählich recht müde zu werden. Gegen 20.30 Uhr legte ich mich ein wenig in Mamas Bett, versuchte einzuschlafen, um noch ein wenig Kraft für die Geburt zu tanken, die wohl am kommenden Morgen anstehen würde – dachte ich. Draußen hörte ich Ralf am Telefon sprechen…

 

Zunächst tat mir das Liegen gut, die Wehenabstände wurden etwas länger.

Kurz vor 21 Uhr bekam ich schließlich eine Wehe nach der anderen, „Was ist denn jetzt los?“, dachte ich. Ralf kam zu mir ans Bett, ich bekam wieder eine Wehe, dies war die vierte in Folge mit nur wenigen Sekunden Abstand. Ich konnte jetzt nicht reden und verneinte nur knapp Ralfs Frage, ob er irgendetwas für mich tun könnte. Dann wollte er mich ein wenig schlafen lassen.

10 Minuten später stand ich auf, so konnte ich unmöglich einschlafen. Es kam ein Schmerz nach dem andern, Mama begann wieder zu schreiben, an meinen Stiefvater und Ralf kann ich mich in dieser Phase nicht mehr erinnern.

Mama meinte, die Wehen hielten schon recht lange an, beinahe zwei Minuten und die Abstände wurden mit jeder weiteren Wehe kürzer. Ich konnte jetzt fast nicht mehr rumlaufen, das Licht im Wohnzimmer nicht mehr ertragen und ging ins Badezimmer.

Hier stand schon der Geburtspool bereit. Ich zündete die Schwimmkerzen aus der Glasschale am Waschbecken an, schaltete die „Zen Garden“-Entspannungs-CD ein und kniete mich auf den Boden, um in mich zu gehen und mich ganz auf meine Atmung und das Baby zu konzentrieren. Mama kam nach und zündete die restlichen Kerzen an…

 

Ein Zeitgefühl hatte ich inzwischen nicht mehr… Ins Wasser wollte ich jetzt aber gern, denn ich hielt es draußen kaum noch aus, mein Rücken, mein Nacken, meine Arme… die gesamte Muskulatur fing an zu schmerzen und dies empfand ich unangenehmer als die Wehen selbst, aber eine andere Haltung wäre für mich auch nicht besser gewesen.

Mama ließ schließlich Wasser für mich in die Badewanne ein. Nachdem diese halb voll war stellte sie fest, dass nur kaltes Wasser aus der Leitung kam. Ich dachte, das kann doch nicht wahr sein…! Konzentrierte mich aber trotzdem gleich wieder auf das Atmen und auf das Baby in mir. „Die werden schon etwas tun, damit ich mein warmes Wasser bekomme!“, dachte ich .

Ich konnte kaum noch reden, bekam aber mit, das der Elektriker gerufen und gleichzeitig Töpfe mit Wasser auf den Herd gestellt wurden, um mir etwas warmes Wasser zu bereiten. Dann hatte ich eine längere Wehenpause und  nahm etwas Kraft zusammen, um über Mama ausrichten zu lassen, dass Ralf aus unserem Haus gegenüber Wasser in der Babybadewanne holen sollte, da wir dort einen Durchlauferhitzer hatten.

Das macht er auch gleich…

Irgendwann zwischendurch bekam ich mit, dass es nur noch dreizig Minuten dauern sollte, bis das Boilerwasser warm genug sein sollte, damit wir den Geburtspool füllen konnten.

 

Mama fragte mich, ob sie Martina (meine Hebamme) anrufen sollte. Ich verneinte. Aber ins Wasser musste ich nun dringend. Hier draußen wurde es unerträglich. Ralf kam mit der ersten Ladung Warmwasser. Mama rief dann doch Martina an, meine Wehen seien schon so häufig und lange. Martina wollte am Telefon eine Wehe mithören – das konnte sie sofort haben! Als die Wehe vorüber war, sagte sie, sie würde sich auf den Weg machen, sodass sie binnen der nächsten 30 Minuten da sei.

Sowie ich auflegte, stieg ich in die Badewanne, Ralf brachte schon die nächste Ladung Wasser und auch die nächste Wehe war schon wieder da.

Und wenn die Badewanne auch noch nicht voll genug war, so fand ich es hier drin doch weitaus erträglicher, wenn auch immer noch schmerzhaft und unbequem. Ich wusste nicht was schlimmer war, die Wehen oder die Verspannungen in Hals und Rücken…

 

Auf einmal musste ich pressen, zunächst leicht, aber gleich folgte auch schon die zweite Presswehe. Mama rief noch einmal bei Martina an. Ihr Mann sagte, sie müsste jeden Augenblick bei uns eintreffen.

Als Mama wieder zurück im Bad war, parkte Martina schon vor der Einfahrt – und gleich war sie auch schon bei mir an der Badewanne.

Martina untersuchte mich sofort und stellte fest, dass der Muttermund 8cm geöffnet war. Bei der nächsten Wehe schob sie den Saum ein bisschen zur Seite und sagte: „Das Baby wird hier in der Wanne geboren.“ Ich fragte: „Hier?“ Das wollte ich nicht, ich wollte doch jetzt gleich in den Pool, immerhin waren schon ein paar Zentimeter Wasser darin und so lange würde das Baby wohl noch warten…

Also stieg ich gleich aus der Wanne um in den Pool, Ralf schöpfte das Wannenwasser ebenfalls um, damit sich der Pool schneller füllte. Jemand gibt das Meersalz hinzu, Martina massierte mich am Kreuzbein – ich bekam zwei weitere Presswehen und merkte bei der nächsten, wie sich bereits das Köpfchen nach vorn schob. Mit der nächsten Wehe spürte ich, wie es nun schon ein wenig rausschauen musste und wieder eine und es schaut ein Stückchen weiter heraus. Martina bestätigte meine Annahme indem sie mich fragte, ob ich nun schon mal nach dem Köpfchen tasten wollte, doch ich verneine. Ich hatte Angst es könnte doch noch nicht weit genug draußen sein und mich demotivieren.

Ich hatte die Augen zu, war ganz in mir und nahm meine Umgebung nur wie in Trance wahr. Martinas Stimme war die einzigste, die nah genug zu mir durch drang.

Die nächste Presswehe war wohl die schlimmste, und das aus mehreren Gründen: Erstens schob sich der Kopf über seinen vollen Umfang nach draußen und dann ging genau hier die Wehe vorüber. Das wollte ich aber nicht zulassen und konzentrierte mich darauf, die Wehe nicht vergehen zu lassen und es gelang mir tatsächlich, nachdem sie nur leicht abgeflaut war, eine weitere Wehe zu erzeugen, die den Kopf ganz heraus schob – was für eine Erlösung! Endlich konnte ich wieder durchatmen. Jetzt fasste ich auch einmal hinunter, denn ich hörte, wie Martina sagte, dass das Köpfchen mit der Fruchtblase geboren wurde. Ich fühlte hinunter zwischen meine Beine und es war einfach ein unfassbares Gefühl, für das ich keine Worte finden kann. Dann gab Martina mir noch einmal Anweisung, wie ich mich besser positionieren könnte, indem ich meine Stellung nur wenig verändere. Ich wartete die nächste Wehe ab, die sich diesmal etwas Zeit zu lassen schien… Als sie dann kam war es nicht mehr ganz so schlimm wie bei der Geburt des Kopfes und ich spürte mein Baby herausflutschen.

Ich hörte Martina freudig sagen, dass das Baby geboren sei, komplett in der Fruchtblase und ich es nun empfangen könnte, wenn ich unter mir durchgreifen würde.

Reflexartig griff ich nach meiner Kleinen, drehte mich dann doch um und sowie ich bequem saß, hob ich sie nach oben, sodass ich sie auf meinen rechten Arm legen konnte. Ich beließ sie mit ihrem Körper im Wasser, nur der Kopf schaute heraus und sowie er das tat, fing sie auch schon kräftig an zu schreien. Dieser Moment, wenn man dieses kleine nackte Wesen in seinen Arm nehmen kann, ist einfach unbeschreiblich; der Schmerz plötzlich einfach nicht mehr da, selbst die Verspannungen waren nicht mehr zu spüren und man empfindet einfach nur noch Glück und unendliche Liebe.

 

Dann kam auch Ralf zu uns ins Wasser und begrüßte unser neues Familienmitglied. Nachdem die Nabelschnur auspulsiert hatte, übernahm der frisch gebackene Papa auch stolz das Abnabeln des Babys.

 

Nach ein paar Minuten musste die Plazenta geboren werden und ich entschloss mich dies „an Land“ zu tun. Ralf unterstütze mich dabei ganz lieb, indem er sich hinter mich setzte und mir so die Schräglage ermöglichte und angenehm machte.

 

Im Anschluss machte Martina die nötigen Untersuchungen mit mir und Angelina Sophie und dokumentierte alle Daten sowie den Geburtsverlauf in meinen und ihren Unterlagen.

 

Ralf bereitete während dessen für jeden von uns ein Glas Champagner und zur Feier des Tages – oder wohl eher zur Nacht – stießen wir auf dieses wundervolle und unvergessliche Ereignis an.

 

Gegen zwei Uhr lagen wir beide dann mit unserer Kleinen im Bett, sie hatte sich von ihrem Schreien beruhigt uns schlief seelig und zufrieden in Papas Arm und wir verbrachten die Zeit damit, sie zu beobachten und die Geburt sowie unsere Empfindungen dabei revue passieren zu lassen…!

 

Für Ralf und mich war die Hausgeburt eine sehr positive Erfahrung. Besonders berührt hat uns, das es uns durch das Wasser möglich war, dem Baby eine sanfte Geburt zu ermöglichen. Dass es komplett in der Fruchtblase geboren werden durfte, war wohl noch das Tüpfelchen auf dem „i“.

 

 

Und aus der Sicht des Vaters möchte ich gerne noch meine Überlegungen und Eindrücke hinzufügen:

„Die Geburt möchte ich übrigens zu Hause machen, ins Krankenhaus geh ich bestimmt nicht“, sagte Nancy eines Tages schon ziemlich am Anfang ihrer Schwangerschaft. „Hmmm“, war meine Reaktion, „hast du dir das gut überlegt? Ich würde das nicht machen.“ „Ich aber schon!“, kam es sehr entschlossen zurück. Oje, dachte ich, das kann ja was werden!

Dann habe ich mich hingesetzt und mir mal wirklich überlegt, wie ich es denn machen wollte, wenn ich das Kind zur Welt bringen müsste. Als ich alle Möglichkeiten durchgegangen war, war ich immer noch der Meinung, dass ich es im Krankenhaus machen würde, weil ich mich dort am sichersten fühlen würde. Dabei ginge es mir weniger um das medizinische Drumrum, sondern einfach nur um das Sicherheitsgefühl und die Geborgenheit, ohne die ich es mir nicht vorstellen konnte eine Geburt durchzustehen.

„Siehst du, genau so geht es mir auch, nur umgekehrt!“, meinte sie, „daheim bin ich geborgen und da fühle ich mich sicher. Im Krankenhaus sieht alles so steril aus und ist es nicht einmal und da kann dann alles Mögliche passieren.“ Hmmm, dachte ich wieder, ein schlagendes Argument! Ich würde mich bestimmt nicht davon abbringen lassen, das Kind da zu bekommen, wo ich mich sicher fühle, und das muss ich ihr dann ja wohl auch zugestehen. Schließlich kann ich froh sein, dass ich es nicht wirklich selbst durchstehen muss, und außerdem besteht meine Rolle bei dem ganzen darin, sie zu unterstützen. Nun denn, dann machen wir das halt so!

Als ich Martina, unsere Hebamme, zum ersten Mal sah und mit ihr sprach, konnte ich Nancys Hausgeburtswunsch auch gleich schon besser verstehen und so nach und nach wuchs auch bei mir die Überzeugung, dass es zu Hause wesentlich besser und einfacher gehen wird. Die Erfahrung und Ruhe, die Martina ausstrahlte, führte auch bei mir zu dem Wunsch, dass mein Kind lieber von ihr und mit ihrer 100%-igen Widmung zur Welt gebracht werden sollte, als im hektischen Schichtbetrieb eines Krankenhauses.

Ausschlaggebend für meinen Sinneswandel war allerdings auch, dass Martina immer ganz eindringlich klar stellte, dass sie Nancy sofort in eine Klinik einweisen würde, falls irgendetwas nicht normal verläuft, entweder vor der Geburt oder auch noch währenddessen. Sie will ja schließlich auch kein Risiko eingehen, und so wurde mir klar, dass die Hausgeburtsvariante auf jeden Fall die beste Option darstellt, denn verläuft alles normal, dann kommt auch das Kind normal und wir haben keinen Stress und laufen auch keine Gefahr, dass sich das Kind mit irgendwas ansteckt in der Klinik. Und sollte denn irgendetwas doch nicht in Ordnung sein, dann geht’s halt ins Krankenhaus.

Plötzlich fragte ich mich, warum ich eigentlich nicht gleich so dachte. Ist doch schließlich wie bei allem im Leben, man geht ja sonst auch nicht ins Krankenhaus, wenn man nicht muss. Aber es ist wohl so, dass ich „das Gebären“ nicht wirklich als etwas Natürliches gesehen hatte, sondern als „Operation“ und da lag wohl mein Denkfehler. Jedenfalls wurde alles immer natürlicher für mich je näher die Geburt kam, und auch meine Sorgen über mich selbst und wie ich das Ganze selbst durchstehen werde, wichen immer mehr zurück.

Als es dann so weit war, ging alles so schnell, dass gar keine Zeit war für irgendwelche Sorgen. Nancy war so tapfer, dass ich ihr die Stärke der Schmerzen erst ansah, als es schon bald zu den Presswehen kam. Alles war perfekt und lief perfekt und im Nachhinein kann ich mir gar nicht vorstellen das alles im Krankenhaus erleben zu müssen. Da hätte ich bestimmt Ärger bekommen mit all dem Personal das einen irgendwie herumkommandiert hätte. So konnten wir tun was wir wollten und vor allem Nancy natürlich. Aufstehen, hinsetzen, knien, rein ins Wasser, raus aus dem Wasser, alles so wie es gerade passte.

Und dann kam sie auch schon bald unser kleines Engelchen! Alles ganz natürlich und keiner nahm sie uns weg nach der Geburt! Wir saßen einfach so da im Wasser in dem Geburtspool, übermannt von dem Gefühl ab jetzt zu dritt zu sein!

Nicht zu unterschätzen ist übrigens auch, wie toll es ist, dass wir die ganzen ersten Tage nur für uns sein konnten. Keine Krankenschwester, kein Arzt, keine Besucher und vor allem weit und breit kein Kranker um uns rum – nur wir und unser Glück!