Tara-Lees schmerzfreie Geburt

Schon Monate bevor Tara-Lee geboren wurde, hatte ich mir ein Bild übers Bett gehängt, das meine Inspiration sein sollte für die Geburt;

es zeigt eine gebärende, nackte Frau in der Hocke, ihr Gesicht ist zu einem ekstatischen Grinsen verzogen, während der Kopf ihres Kindes schon zwischen ihren Beinen sichtbar ist. Gefunden habe ich das Bild in einem Buch von Ina May Gaskin, einer amerikanischen Hausgeburtshebamme. Welch ein Kontrastprogramm zu den schmerzverzerrten Gesichtern, mit denen man üblicherweise als Schwangere konfrontiert wird;

zu Beginn meiner Schwangerschaft hatte ich schlichtweg Angst gehabt. Angst, eine schmerzhafte Geburt zu erleben mit Komplikationen und vor allem hatte ich die Befürchtung, in einem der verletzbarsten Momente meines Lebens in einer fremden Umgebung der Willkür eines fremden Arztes, ausgeliefert zu sein. Von anderen Frauen hatte ich viele Horrorgeschichten gehört, daß alle von ihnen Krankenhausgeburten gehabt hatten brauche ich vermutlich nicht zu erwähnen. Meine Oma, die fünf Söhne auf die Welt gebracht hat, erzählte mir immer wieder, wie glatt ihre vier Hausgeburten verlaufen waren, nur die letzte Geburt, die im Krankenhaus stattgefunden hatte, war eine einzige Katastrophe gewesen.

Ich beschloß also meine Geburt in die eigene Hand zu nehmen. Ich wollte, dass mein Kind und ich die Hauptdarsteller bei unserer Geburt waren und dass es alleine „unser“ Moment ist. Ich wollte die Fäden ziehen und alle störenden äußeren Einflüsse ausschalten...

So legte ich alle angstmachenden Bücher beiseite, beschloß alles zu ignorieren, was mich einschüchtern könnte, inklusive „wohlgemeinten“ Ratschlägen von anderen „Krankenhausfrauen“ und fand meine Hausgeburtshebamme. Zu der Zeit war ich schon im sechsten Monat schwanger. Die erste Zeit der Schwangerschaft hatte ich im Ausland verbracht, doch ich kann jeder Frau nur empfehlen sich so früh wie möglich eine Hebamme zu suchen. Bevor ich Martina fand, bzw, wir uns fanden, hatte ich mich unnötigerweise mit einer sehr schmerzhaften Ischialgie herumgequält, die nach wenigen Fußreflexzonenmassagen sehr schnell der Vergangenheit angehörte, so daß ich den Rest der Schwangerschaft wirklich genießen konnte. Martina kam in der Woche zwei bis dreimal zu mir, um Gespräche mit mir zu führen und mir eine Fußreflexzonenbehandlung zu geben.

Immer wieder sah ich mir das Bild der lachenden, gebärenden Frau über meinem Bett an und machte meinem ungeborenen Kind und mir Mut, indem ich mir fast täglich über den Bauch streichelte und sagte“ wir schaffen das schon“. Martina erwähnte oft, dass der Verlauf einer Geburt zum größten Teil von der Frau abhängt. Das kann ich im Rückblick nur bestätigen. Vielleicht lag es auch daran, dass ich ca während der letzten drei Wochen jeden Tag Leinsamen zu mir nahm...in einem Ratgeber hatte ich gelesen, dass die Leinsamen die Schleimhäute anregen und das Baby bei der Geburt flutschen lassen.. Für mich war glasklar, dass Tara-Lee „flutschen“ würde, etwas anderes kam für mich einfach nicht in Frage.

Jedenfalls kam es dann wirklich so. Am frühen Morgen um 4.30 bekam ich Wehen und fühlte, dass ich Flüssigkeit verloren hatte. Zuerst dachte ich, dass es nur Vorwehen waren und nahm das Ganze nicht so ernst. Die Flüssigkeit, die ich verloren hatte, testete ich mit einem Papierstreifen von Martina, der feststellen sollte, ob es sich um Fruchtwasser handelte. Er verfärbte sich nicht sofort, was ein weiterer Grund für mich war, erst einmal abzuwarten. Als es ca. 6.00 Uhr morgens war rief ich dann Martina an, die eine Stunde später da war. Ich muß erwähnen, dass dieser Morgen noch aus einem anderen Grund ein ganz besonderer Tag gewesen war: mein Vater war für einige Wochen aus Südafrika in Schwäbisch Hall zu Besuch gewesen und der 25. war sein Abreisetag. Daher waren meine beiden Omas und mein Vater anwesend. Als dann Martina schon so früh morgens kam, waren natürlich alle erstaunt, denn niemand wußte, dass ich mitten in den Wehen steckte. Sie kam gleich zu mir ins Schlafzimmer, untersuchte mich und stellte fest: “Das Baby kommt heute oder morgen.“ Die Überraschung bei meiner Familie war natürlich umso größer, als sie das erfuhr. Mein Muttermund war aber erst ein Zentimeter offen und aus Büchern und von Martina wußte ich, dass sich der Muttermund pro Stunde ca ein Zentimeter öffnet. Ich hatte aber keine Lust auf so eine lange Geburt! Dazu kam, dass an dem Tag auch noch das Heizöl im Keller aufgefüllt wurde und der Lastwagen genau vor meinem Fenster geparkt hatte. Was für ein Lärm! Zum Glück gab mir Martina Pulsatilla Globuli schluckweise mit Wasser vermischt. So kam ich besser mit der Situation klar, auch mein Muttermund wurde dadurch angeregt.

Jedesmal, wenn eine Wehe kam, drehte ich mich auf den Vierfüsserstand, denn das fühlte sich erträglicher an.  

Ich wollte, dass sich die Geburt beschleunigt, denn ich spürte die Unruhe und Geschäftigkeit im Haus. Tatsächlich sagte Martina nach nicht allzu langer Zeit: „ Der Muttermund ist acht Zentimeter offen.“ Sie sagte, dass man nun Wasser in die Badewanne einlaufen lassen könne, was meine Oma dann tat. Doch ich schaffte es nicht mehr in die Badewanne, kurz darauf setzten schon die Preßwehen ein und ich ging in die Hocke auf dem Boden. Martina fragte mich, ob sie meinen Vater rufen solle, denn er könne mich halten, sodass ich besser „pressen“ könne, ich bejahte. Martina rief zum Fenster hinaus in den Garten hinunter, dass wir einen starken Mann brauchten. Mein Vater kam sofort und fühlte sich auch sichtlich geschmeichelt, dass seine Hilfe vonnöten war, hielt mich dann von hinten unter den Schultern fest, was meine Wirbelsäule verlängerte, und Atmung verbesserte. Auch hatte ich so mehr Halt. Martina und mein Vater feuerten mich an. Ich hatte das Gefühl, dass das Baby sich aus mir herausschob und ich gar nicht pressen mußte, im Gegenteil, eher fühlte es sich so an, als ob ich es noch bremsen mußte. Dann kam das Baby endlich heraus, Martina fing Tara-Lee auf und gab sie mir in die Hände. Mit großen Augen schaute sie mich an. Sie war kerngesund mit einem kräftigen Herzschlag und einem normalen Geburtsgewicht von 3,5 kg.

Schmerzen hatte ich im Moment der Geburt keine empfunden, obwohl ich die ganze Geburt völlig ohne Schmerzmittel durchgestanden hatte.

Es war ein schöner Sommertag im Jahrhundertsommer in Deutschland. Draußen zwitscherten die Vögel im Garten; Tara-Lee und ich hatten es geschafft!

Meinem Vater wurde die Ehre zuteil, die Nabelschnur durchzuschneiden, nachdem sie aufgehört hatte, zu pulsieren. 

Meine Oma legte Tara-Lee später auf das Bett meines Vaters, während er seine Koffer packte und ich mich etwas ausruhte. Er nahm den Zauber der Geburt mit auf die Heimreise nach Südafrika und erzählte allen, denen er unterwegs begegnete strahlend davon, konnte er doch bei meiner Geburt nicht dabei sein damals, da ihn das Klinikpersonal nach Hause geschickt hatte, nachdem meine Mutter eingeliefert worden war.

Am nächsten Morgen begegnete ich meiner Nachbarin, die mich mit mitleidiger Miene fragte, ob es denn sehr schlimm gewesen sei. Ich antwortete überschwänglich, dass es schön gewesen war und ich noch vier Kinder haben könnte. Ihr klappte die Kinnlade hinunter, das hatte sie noch nie gehört.

Eine Hausgeburt kann ich nur jeder Frau empfehlen. Ich war fast während der gesamten Schwangerschaft  ohne Partner, auch während der Geburt und habe es trotzdem wunderbar geschafft. Martina nannte mich sogar Turbo-Corina, weil die Geburt nur so kurz war.

Während der Schwangerschaft ernährte ich mich ausschließlich ausgewogen vegetarisch und war auch körperlich aktiv. Das nur am Rande, da auch das die Kritik meiner Außenwelt angeregt hatte. Eine Bekannte behauptete sogar, die Kinder von Vegetarierinnen würden behindert zur Welt kommen...

Ich akzeptiere selbstverständlich, wenn sich jemand für eine Krankenhausgeburt entscheidet. Doch verstehe ich nicht,  wieso wir in Deutschland nicht die Freiheit haben, eine Entscheidung pro Hausgeburt zu treffen, ohne von außen durch Freunde, Familie und Medizin massiv eingeschüchtert, verunsichert und verängstigt zu werden.

Die Geburt hat mich innerlich als Frau sehr stark gemacht und etwas anderes als eine Hausgeburt würde für mich nicht mehr infrage kommen.