Lara Sophie oder Endlich ausgetragen

Bereits eine Woche vor dem errechneten Entbindungstermin habe ich an einigen Abenden für exakt eine Stunde Wehen. Diese sind bereits so stark, dass ich sie veratmen muss, aber nicht so stark, dass ich das Gefühl habe, dass die Geburt unmittelbar bevorsteht. Die Wehen kommen im Abstand von 10 Minuten, nach einer Stunde allerdings sind diese genauso schnell wieder verschwunden, wie sie gekommen sind.

Genauso ereignet es sich auch am Abend des 16.02., einem Tag vor dem ET. Allerdings sind die Wehen etwas kräftiger und der Druck nach unten etwas stärker. Als ich selbst nach meinem Muttermund fühle, kann ich feststellen, dass dieser einen fingerbreit durchlässig ist. Was für eine Erleichterung sich daraufhin bei mir einstellt. Schließlich wurde mein Muttermund in der 15. Schwangerschaftswoche, nach einer vorangegangen extremen Frühgeburt in der 24. SSW, operativ verschlossen und keiner weiß genau, ob sich der Verschluss von alleine öffnet. Nachdem ich das aber nun selbst gefühlt habe, freue ich mich sehr und bin bereit für die Geburt. Die Wehen verschwinden aber, wie an den Abenden davor, nach einer Stunde wieder gänzlich.

Am nächsten Morgen, um 05.06 Uhr, werde ich von einer ähnlichen Wehe wie am Vorabend geweckt. Ich warte zuerst einmal ab. Die Wehen folgen im 10 Minuten Abstand, bis sie nach einer guten halben Stunde etwas häufiger kommen. Rudi ist zwischenzeitlich auch aufgewacht und fragt mich, ob wir Martina anrufen sollen. Ich möchte lieber noch etwas warten und gehe um kurz vor sechs zur Toilette. Dort bemerke ich, dass ich eine leichte Zeichnungsblutung habe. Die obligatorische Stunde ist vorbei, die Wehen sind noch da und kommen in kürzeren Abständen von etwa 6 Minuten.

Ich bitte Rudi nun Martina anzurufen, da die Witterungsverhältnisse sehr winterlich sind und ich möchte, dass sie die Geburt nicht wegen Glätte und Schnee am Ende noch verpasst. Sie verspricht uns, sofort loszufahren. Ich bin etwas aufgeregt, es geht los!

Dann wacht zuerst Max, kurze Zeit später auch Elias auf. Rudi und ich ziehen die Kinder an und meine Männer frühstücken noch gemeinsam, während ich bereits bei jeder Wehe zum Veratmen vom Frühstückstisch aufstehen muss. Hunger habe ich keinen. Ich bitte meinen Bruder Elias zu meiner Großmutter zu bringen, damit ich mich besser auf die Wehenarbeit konzentrieren kann. Max möchte bei uns bleiben und zusehen, wie Lara zur Welt kommt.

Rudi beginnt mit den Vorbereitungen für die Geburt und Max beobachtet alles sehr genau und interessiert. Wie der Pool befüllt wird, wie Rudi erst die Plastikplanen und dann die Laken auf der Couch und dem Teppich drumherum ausbreitet. Er hat sehr viel Spaß daran, den Schlauch für das Poolwasser zu halten, setzt uns dabei aber beinahe das ganze Wohnzimmer unter Wasser. In unserem Kamin brennt ein Feuer, die Sonne geht auf.

Um 07.55 Uhr trifft Martina bei uns ein. Eine erste Untersuchung zeigt, dass mein Muttermund bereits gut zwei Zentimeter geöffnet ist. Bei einem CTG sehen wir, dass es Lara unter den Wehen sehr gut geht. Die Wehen selbst sind noch relativ unregelmäßig, kommen alle 3 bis 5 Minuten und dauern jedes Mal ungefähr eine Minute. Ich kann sie gut aushalten und mich in den relativ langen Wehenpausen von circa 4 Minuten gut erholen. Max sitzt währenddessen neben mir und fragt mich vieles. Ich versuche ihm alles genau zu erklären, damit er keine Angst bekommt. Dabei bemerke ich aber, dass ich mich nicht richtig auf die Wehen konzentrieren kann und Martina bittet mich, Max doch lieber in den Kindergarten zu bringen zu lassen, damit ich mich besser konzentrieren kann. Also bringt Rudi Max um kurz vor neun auch problemlos in den Kindergarten. Wir versprechen ihm zu versuchen, ihn abzuholen bevor Lara geboren ist.

Die Wehen veratme ich teils stehend an unserem Sideboard im Wohnzimmer, teils auf der Seite liegend auf der Couch. Sie sind immer noch gut auszuhalten, der Druck nach unten nimmt zu und die Erholung in den Pausen tut gut.

Um halb zehn gehe ich zur Entspannung in die Badewanne. Für mich fühlt es sich so an, als ob dort die Wehen erst einmal ausbleiben. Das liegt aber daran, dass ich mich sehr gut entspannen kann und laut Martina ist das völlig in Ordnung. Als die nächste Wehe kommt, ist diese deutlich stärker. Alle 10 Minuten misst Martina Laras Herztöne, ihr geht es nach vor sehr gut. Nach einer halben Stunde muss ich auf Toilette und gehe aus der Wanne heraus. Um 10 Uhr untersucht mich Martina, der Muttermund ist ohne Wehe circa 4 – 5 cm geöffnet, während der Wehe bereits auf 6 cm. Martina veratmet mit mir jede einzelne Wehe und sagt mir immer wieder, dass ich die Schultern fallen lassen, die Stirn nicht in Falten legen und  während der Wehe ein tiefes Aaaaa tönen soll. Das hilft ungemein. So habe ich etwas, auf das ich mich konzentrieren kann. Die Wehen werden stärker, der Druck nimmt zu und ich werde zunehmend lauter. Nun bin ich froh, dass Max im Kindergarten ist und ich mich während der Wehen richtig fallen lassen kann.

Um halb 11 Uhr ist der Muttermund auf 8 cm geöffnet, Zeit für den Gebärpool. Ich weiß, es ist bald geschafft. Das Wasser tut gut und Rudi optimiert ständig die Wassertemperatur, indem er heißes Wasser nachfüllt. Somit ist er während meiner Wehenarbeit gut beschäftigt.

Ich spüre, dass ich den Presswehen immer näher komme und wie Lara immer tiefer ins Becken rutscht.

Um 11 Uhr ist der Muttermund vollständig geöffnet, kurz darauf spüre ich die erste Presswehe und Martina bittet mich, mich zu trauen und ihr ruhig nachzugeben. Die Wehen sind schmerzhaft, aber erträglich. Die Wehenpausen dauern immer noch etwa vier Minuten und ich empfinde sie als Segen.

Laras Köpfchen ist wenig später bereits in Beckenmitte, kann es fühlen. Auch die pralle Fruchtblase davor. Ich spüre wie Laras Köpfchen bei jeder Wehe immer tiefer kommt und bekomme etwas Angst vor dem Moment, wenn das Köpfchen geboren wird. Der Druck ist immens und ich überstrecke mich nach hinten, halte mein Kind zurück, bremse es. Zu wissen, dass dies möglich ist und dass ich Lara in meinem eigenen Tempo gebären darf, hilft mir ungemein. Ich kann mich in den Wehenpausen immer noch gut erholen. Martina bittet mich nun, in die tiefe Hocke zu gehen, damit das Köpfchen gut um die letzte Kurve kommt. Zuerst möchte ich das nicht, habe Angst. Doch dann zahlt sich das aufgebaute Vertrauensverhältnis zu Martina aus. Ich vertraue ihr und bin mir sicher, dass sie sicher genau weiß, warum sie das sagt.

Laras Köpfchen wird - noch in der Eihaut - unter Wasser geboren. Ich bin sehr erleichtert, weil ich weiß, dass das Schlimmste nun geschafft ist. Es folgt eine Wehenpause, in der ich meine Kräfte noch einmal mobilisiere, dass Köpfchen ansehen und auch fühlen kann. Rudi ist furchtbar aufgeregt, hält aber tapfer meine Hand.

Um 11.26 Uhr wird Lara Sophie in vollkommener Eihülle (Glückshaube) geboren. Ich hebe sie selbst aus dem Wasser, nehme sie zu mir auf die Brust und sie sieht mich sofort an und atmet tief ein. Rudi und ich weinen - vor Glück und Erleichterung! Unser Kind ist geboren, völlig gesund und komplikationslos. Die ganze Anspannung von all den vergangenen Monaten, die Angst und Sorge um unser Kind fallen von uns ab.

Noch während die Nabelschnur auspulsiert fährt Rudi in den nahen Kindergarten und holt Max dort ab. Die beiden kommen zu uns und Max bewundert seine kleine Schwester. Er traut sich aber nicht die Nabelschnur durchzuschneiden, so wie er es sich gewünscht hat, so dass Rudi dies übernimmt.

Anschließend lege ich Lara noch im Pool zum ersten Mal an.

Dann gehe ich aus dem Pool, kurz darauf wird die Plazenta geboren. Der Damm ist unverletzt. Dann führt Martina die U1 durch. Lara wird gemessen, gewogen und angezogen. Anschließend kuscheln wir gemeinsam. Rudi baut den Pool ab und nach einer guten Stunde sind alle Hinweise, dass soeben in unserem Wohnzimmer ein Kind geboren wurde, beseitigt. Nur Lara, sie ist jetzt da!

Ich bin unglaublich stolz auf uns alle. Auf Lara, die ihre Mutter gelehrt hat, was Geduld bedeutet. Darauf, dass sie pünktlich zum Termin gesund und munter das Licht der Welt erblickt hat. Auf Rudi, der mich 10 Monate lang mit all meinen Launen und Handicaps ertragen und trotzdem immer unterstützt hat. Ich liebe dich! Auf meine zwei großartigen Söhne, die mich in all der Zeit nicht vergessen ließen, wofür ich all das auf mich nehme. Auf meine wundervolle Hebamme, die mit ihrer einfühlsamen Art so unglaublich viel bewirkt und mich immer bestärkt hat. Auf meine Familie, ohne deren Hilfe dies alles nicht möglich gewesen wäre.

Und schlussendlich auch ein kleines bisschen auf mich selber. Ich habe es geschafft! Ich habe mein Kind bis zum Termin, entgegen aller Erwartungen, ausgetragen und nach 40 Schwangerschaftswochen zu Hause auf die Welt gebracht!