Alltag: Spätabbruch. Eine Reportage

Tenor, in vielen Kliniken finden Spätabbrüche statt, exemplarisches Beispiel Charité

Mittwoch, 7.30 Uhr. Professor Rainer Bollmann, stellvertretender Klinikdirektor und Leiter der Abteilung für pränatale Diagnostik an der Frauenklinik der Charité©, Campus Mitte, in Berlin bittet wie jeden Werktag zum Rapport.

Tenor, in vielen Kliniken finden Spätabbrüche statt, exemplarisches Beispiel Charité

Mittwoch, 7.30 Uhr. Professor Rainer Bollmann, stellvertretender Klinikdirektor und Leiter der Abteilung für pränatale Diagnostik an der Frauenklinik der Charité, Campus Mitte, in Berlin bittet wie jeden Werktag zum Rapport.

„Darf ich mich hier hin setzen“, frage ich die Ärztin neben mir, „oder gibt es eine Sitzordnung“? Sie schüttelt den Kopf: „Nein, Sie sind schon richtig, hier sitzt meistens die Geburtshilfe und dort drüben“, sie nickt zum leeren Tisch hinüber, „die Gynäkologie“. Rechts von mir nimmt gerade die Reproduktionsmedizin Platz. Gravitätisch blicken die Büsten früherer Klinikchefs wie Ernst Bumm und Walter Stoeckel auf uns nieder. Die Gynäkologie kommt geschlossen zwei Minuten später. Bollmann ruft auf, militärisch knapp rapportiert jede Abteilung: zwei Spätabbrüche, Fragen und Antworten wegen einer Kaiserschnittaufklärung, welche Aufnahmen, welche Todesfälle, welche Operationen. Der Dienst wird aufgerufen, ein Hintergrunddienst noch gesucht und gefunden, der Tag kann beginnen.

Im Kreisssaal hat heute neben den Hebammen auch die Krankenschwester Jasmin Busche Dienst. Sie bezeichnet sich selbst als „Übriggebliebene“. Früher arbeitete sie mit anderen Kolleginnen auf der präpartalen Station, die inzwischen dem Kreisssaal angegliedert wurde. So hat sie jetzt ausschliesslich Geburtshelferinnen an ihrer Seite. Busche: „Ich betreue drei Zimmer mit jeweils zwei Betten, die von Frauen belegt sind, deren Kinder Komplikationen wie zum Beispiel Herzanomalien oder Hydrops aufweisen oder die Frauen selbst der Grund sind, weil sie beispielsweise vorzeitige Wehen oder eine Plazenta praevia haben“. Bei Spätabbrüchen bleibt die Frau zur Geburt, sofern sie alleine im Zimmer ist, vor der 22. SSW meist dort, bei fortgeschrittenerer Schwangerschaft kommt sie in den Kreisssaal. „Ich betreue die Frauen und lege nicht ein“, sagt sie, „das machen die Hebammen oder die Ärzte“. Einlage wird die Gabe von Cytotec® in Tablettenform oder von Minprostin-Vaginalgel genannt, um Wehen auszulösen. Sie selbst habe große Kinder, könne sich aber vorstellen, „dass dieser Part sehr belastend sein kann, wenn man jünger, also noch im gebärfähigen Alter ist“. Selbst benötige sie keine Supervision, obwohl diese von der Klinik durchaus angeboten wurde: „Es ging bisher gut, klar manchmal gibt es schlechte Tage, dann mache ich es aber mit mir selbst aus oder bespreche es mit meinem Mann“. Sie betont die gute Zusammenarbeit mit den übrigen MitarbeiterInnen: „Wir tauschen uns bei der Übergabe aus, da läßt jeder mal seinen Gefühlen freien Lauf“. Das ginge dann aber nicht weiter: „Wenn ich draußen bin, bin ich draußen“, schliesst Busche.

Die Hebamme (1) erzählt, dass sie und ihre Kolleginnen ganz langsam in die Begleitung von Spätabbrüchen hineingewachsen seien. „Ich glaube zuerst waren es die Frauen, die ihre Wünsche äusserten“. Sehr schnell hätten sich alle auf die unterschiedlichen Wünsche eingestellt. Sie fertigen Fußabdrücke der verstorbenen Kinder an, machen Bilder und schicken Eltern, die Probleme damit haben, ihr Kind nach der Geburt zu sehen, diese im verschlossenen Umschlag mit nach Hause. Vollkommen frei könnten diese dann entscheiden, ob sie sie eines Tages anschauen möchten, oder doch lieber wegwerfen. Jedes Paar erfordere eine andere Art von Begleitung, auf die ganz individuell und sehr rücksichtsvoll eingegangen werde.

Den Part der Klinikseelsorgerin für den Kreisssaal füllt seit mehr als zehn Jahren die evangelische Theologin Ingrid Hamel: „Ich habe viel von den Eltern gelernt und kann meine Arbeit mit meiner Haltung tun“, beginnt sie und „wie auch immer sich das Paar entschieden hat, so sollen sie doch nicht auf steife Gesichter treffen, sondern auf Leute, die sie gut und mit Würde begleiten“. Es mache sie wütend, wenn Menschen zu eng seien und die Lebensumstände dieser Paare bewerten. „Vieles durchdenkt man nicht bis zur letzten Konsequenz und manche Menschen brauchen Zeit, um das Leben zu lernen", resümiert sie und berichtet von ihrer früheren Arbeit zu DDR-Zeiten in kirchlichen Heimen von „30-Jährigen, die sich auf dem Entwicklungsstand von Säuglingen befanden“. „Diese Eltern hätten sich vielleicht auch bei den heutigen Möglichkeiten für den Abbruch entschieden, wenn sie es schon damals gekonnt hätten“. Überhaupt sei das Wichtigste, die Eltern einzuladen und ihnen ihre Würde wiederzugeben. Auf meine Frage, wohin diese denn gegangen sei, korrigiert sie „dass die Eltern ihre Würde wiedergewinnen können“. Zügig fährt sie fort, Krankheit, auch die eines Kindes, habe immer mit Kränkung zu tun. Dass Eltern darin bestehen können sei wichtig. Natürlich gebe es Entscheidungen, die sie eher und andere, die sie weniger nachvollziehen könne. Inzwischen habe sie aber Ehrfurcht vor den Entscheidungen der Eltern. Sie lebten in Lebensumständen, die nicht so sind, dass darin ein behindertes Kind Platz findet. „Ich denke, dass Menschen sehr unterschiedlich sind, viele trauen sich manches nicht zu, andere sind mutiger und haben Vertrauen“. Sie vermittle den Eltern das Bild einer Wunde, die ihnen das Leben geschlagen habe, mit der Begleitung und der Beerdigung (sh. DHZ 03/2004) können sie die Wunde schliessen. „Mit einer tiefen Narbe, die natürlich hin und wieder schmerzt, kann man leben, mit einer offenen Wunde weniger“, so Hamel. Zusammen mit einer Psychologin hat sie eine Gruppe für Eltern initiiert, die ihr Kind verloren haben. Etwa fünf bis acht Frauen, selten Männer, treffen sich einmal im Monat für etwa drei Stunden. „Sie berichten, wie es ihnen gerade in ihren unterschiedlichen Entwicklungsphasen geht, der Umgang ist ehrfürchtig“, so Hamel. „Du darfst wieder schwanger sein, ohne dass ich neidisch bin“, sei zu hören, ebenso könne dann eine Frau nach natürlicher Totgeburt einer Frau nach erfolgtem Fetozid sagen „wegen der Mitbeteiligung hast du es schwerer als ich und quälst dich mehr“.

Die von ihr vorgeschlagene Supervision habe wenig Resonanz gezeigt. Hamel: „Diese Abneigung der Supervision gegenüber betrifft ja jetzt nicht nur uns hier in der Charité, überall gibt es Angst sich offen zu legen, dass zu viel hochkommt oder dass man auf Dinge festgelegt wird, die man gesagt hat, schliesslich sieht man sich jeden Tag“. Dennoch können die Mitarbeiter jederzeit auf sie zukommen und sich mit ihr besprechen, was sie auch in Anspruch nehmen. Die Theologin ist beliebt und anerkannt. Wenn sie über die Kreisssaalflure läuft huscht oft ein freundliches Lächeln über die Gesichter der Hebammen. „Ja, Frau Hamel stützt uns schon sehr“, berichtet die Hebamme (2), die die Konfrontation mit Spätabbrüchen zu Beginn ihrer Tätigkeit zunächst als „Schrecken“ empfunden habe. „Wir haben uns aber schnell damit arrangiert. Die Frauen brauchen uns mehr als andere Frauen und wenn wir es nicht könnten, würden wir hier nicht arbeiten“, ergänzt sie. „Und sie sind viel dankbarer als andere Frauen, oft sagen sie, dass es ganz toll war“, komplettiert ihre Kollegin (3). Frau Hamel fange die Frauen schon sehr gut auf, sie selbst habe aber emotional nicht so das Problem damit, zudem wolle sie die Seelsorgerin nicht auch noch überfrachten: „Wenn wir uns jetzt neben den Frauen auch noch abladen würden, wäre das wohl zu viel für sie“. Auch sie betont den guten Austausch untereinander.

„Den Fetozid gibt es noch nicht so lange“, berichtet ihre Kollegin (4), vielleicht seit der Wende fragt sie in die Runde der drei anderen Kolleginnen, doch keine weiß es mehr so genau. In jedem Falle sei der Fetozid für die Frauen besser, meint sie, da es einen Unsicherheitsfaktor weniger darstelle. „Früher mussten wir nach der vorzeitigen Einleitung meist noch einen Neonatologen zum lebenden Kind rufen, der dann über das weitere Vorgehen entschied.

Etwa 150 Fetozide gibt Prof. Bollmann für seine Klinik an, „es können jedoch auch mal 10 in einer Woche sein“. Zudem seien Spätabbrüche meldepflichtig, Fetozide nicht und dem Arzt letztendlich überlassen, wie er einen Spätabbruch durchführe. (4) fährt fort: „Auch die Periduralanästhesie ist bei einem Abbruch eine Supererleichterung und die gibt es seit der Wende, da bin ich mir sicher, denn die macht die Sache für die Frauen auch viel leichter“. Die wenigsten Frauen hätten eine nachsorgende Hebamme und vor der 20. SSW fände sie das auch nicht notwendig. „Manche der Hebammen hier machen es, dass sie Frauen nach Spätabbrüchen betreuen. Ich selbst mache es nicht, da es mich hier schon so belastet, da möchte ich es nicht auch noch in meiner Freizeit machen“.

26 Hebammen teilen sich in der Charité 18 Planstellen. Die Geburtenzahl liegt seit vielen Jahren konstant bei 1700-1800 Geburten. „Natürlich haben wir mit unserer großen Zahl an Risikoschwangeren, die sehr viel Zeit beanspruchen, nicht die Zahl an Geburten, die andere Zentren haben, bei denen viele Frauen schon mit fünf Zentimetern kommen und zügig gebären“, meint die Hebamme (3). Vielen der Kolleginnen ist die Scheinheiligkeit anderer Menschen zuwider. Die leitende Hebamme Renate Warbanow fasst es knapp zusammen: „Diese Leute, die dagegen sind, sind dann die allerersten, die als Betroffene nach Hilfe schreien“.

Als belastend empfinden die Hebammen die „psychischen Indikationen“, also die „vier bis fünf Spätabbrüche in den letzten zwei Jahren, die gesunde Kinder betrafen“. Die Hebamme (4) berichtet: „Das waren zum Teil schon Wunschkinder und es kam zunächst keine Abtreibung in Frage. Als die Partnerschaft dann aber in die Brüche ging, wollten die Frauen ihre Kinder nicht mehr und sind dann zum Psychiater gegangen, um sich mittels Gutachten die medizinische Indikation zu verschaffen“.

Über das weitere Vorgehen berichtet die Oberärztin Dr. Gabriele Gossing: „Uns reicht so ein externes Gutachten nicht aus, zumal es oft den Namen nicht verdient, weil es recht formlos geschrieben, zum Teil nicht nachvollziehbare Argumente enthielt und demzufolge nicht nach Vorgaben eines Gutachtens erstellt wurde“. Prof. Bollmann ergänzt: „Der Gesetzgeber hat keine zweite Stellungnahme vorgesehen, aber auch nicht verboten. Wir haben ganz einfach Angst davor, einem Gefälligkeitsgutachten aufzusitzen. Diese Gutachten sind oft von einer erschreckenden Kürze, dass man nicht erkennen kann, ob es hier eine soziale und medizinische Anamnese überhaupt gibt“. Sie werden zu einem an der Charité angestellten Psychiater geschickt, der dann ein weiteres Gutachten erstellt. „Wir müssen dann natürlich das hinnehmen, was er sagt“, meint Gossing. Die Hebamme (4) berichtet, dass sie es jedoch noch nie erlebt habe, dass sich die Gutachter widersprochen hätten, zudem wundere sie sich schon, wie kurz das Gespräch sei, wie schnell die Frauen wieder zurück seien und fragt sich, ob man so schnell die Suizidalität feststellen könne, die unabdingbar im Gutachten stehen müsse, um die medizinische Indikation zu rechtfertigen.

Nachdenklich sinniert sie, wie es damals zu DDR-Zeiten war: „Da wurde eine solche Frau im Extremfall in die Psychiatrie eingewiesen und hat dann ihr Kind später bekommen. Niemals habe sie es erlebt, dass die Frau ihr Kind danach zur Adoption frei gegeben habe, obwohl sie in der Schwangerschaft so voller Not gewesen sei“.

Eine Zwangseinweisung in dieser Situation hält Oberärztin Gossing in heutiger Zeit für „schwierig“. Auch sie habe hier keine Patentlösung und sieht diese Fälle als einzige an, „wo wir alle Supervision brauchen. Mit den anderen Sachen haben wir unseren Frieden geschlossen“.

Bedenklich findet es Prof. Bollmann, dass nur etwa die Hälfte der Eltern ihr Kind zur Obduktion frei geben. Zu DDR-Zeiten sei dies obligat gewesen. Immerhin sei für die meisten ein MRT akzeptabel. „Gerade bei fraglichen Syndromen brauchen wir aus juristischer Sicht noch eine Abklärung im Nachhinein“, erklärt Gossing. Schließlich könnten die Eltern später wieder kommen und die Vorgehensweise in Frage stellen.

In der Ethikkommission der Klinik sitzen keine der im Kreisssaal tätigen Hebammen. Die Hebamme (2) erklärt: „Ich habe leider kaum Einblick in die Arbeit einer Ethikkommission, glaube aber, dass unsere Stimmen nicht so viel Gewicht haben, da wir fachspezifisch kaum mitreden können. Da haben zum Beispiel die Neonatologen mehr zu sagen“.

Professor Bollmann hat dennoch recht, wenn er sagt, dass fast jeden Montag um 16 Uhr eine Hebamme in der Ethikkommission sitzt. Die drei Krankenschwestern und die eine Hebamme, die in der „Feindiagnostik“, der Abteilung für pränatale Medizin arbeiten, unterstützen die Geburtshelfer, Neonatologen, Genetiker, Pathologen und Kinderchirurgen, indem sie die Videos der Ultraschallaufnahmen zeigen, alles dokumentieren und auch für den Kreisssaal erste Ansprechpartner sind, aber nicht über die Befunde mitentscheiden. „Wir sind fürs ganze Organisatorische zuständig“, erklärt die Krankenschwester Anke Weidemeyer. Zusammen mit ihren Kolleginnen dokumentiert sie, vergibt Termine, archiviert, leistet erste psychosoziale Unterstützung, wenn die Frauen die, in diesem Falle „negativen“ Diagnosen erfahren und assistiert bei Eingriffen wie einer fetalen Transfusion, die, wie Professor Rabih Chaoui erklärt, etwa einmal in zwei Monaten stattfindet.

Für zwei Mal zwei Stunden unterstützt die Psychologin Anke Fricke von „Lydia“ einer Einrichtung des Sozialdienstes Katholischer Frauen seit etwa drei Jahren das Team. Die Schockphase beginne schon mit der Diagnoseeröffnung und der Schock an sich sei auch nicht vermeidbar. „Wir bemühen uns die Drei-Tages-Frist einzuhalten, von Diagnoseeröffnung bis zum Abbruch. Am schwersten ist es für Paare, mit geistigen Behinderungen umzugehen, also die Lebenssituation mit dem behinderten Kind zu antizipieren. Mit körperlichen Behinderungen können sie oft besser klar kommen“, so Fricke. Groß sei auch die Angst, dass die Familie auseinanderbrechen oder die Lebensqualität sinken könnte. Leider fehlte bislang die Zeit, um Statistiken ihrer Arbeit zu erstellen, doch schätze sie die Zahl an Eltern, bei denen das Gespräch „etwas gebracht“ habe, die ihr Kind also austrugen, auf etwa 3 %. Diese seien oft religiös gebunden, hätten eine hohe ethische Schwelle, die sich mit dem Auftrag zum töten nicht vereinbaren ließe.

Zusammen mit Ingrid Hamel leitet sie die Selbsthilfegruppe, die sich an Berliner Eltern richtet. „Da wir hier Eltern aus der gesamten Bundesrepublik zum Spätabbruch haben, stellen wir auch den Kontakt zu Gruppen und Anlaufstellen zuhause her“, berichtet Fricke.

Angeregt unterhielten wir uns noch über eines der zentralen Resümees des Kongresses „Der behinderte Mensch in der Gesellschaft“, der Anfang Juni diesen Jahres in Berlin stattfand, nämlich: Es gibt ausreichend Hilfsmaßnahmen für Eltern in spe, sie sind jedoch zu wenig darüber informiert.

„Für sich“ differenziert Prof. Bollmann nicht zwischen Abtreibungen bis zur 12. SSW und Spätabbrüchen, wenngleich es sich bei ersterem um ungewollte Mutterschaft, beim zweiten um knallharte Selektion eines zuvor gewünschten und jetzt so nicht gewünschten Kindes handelt.

Auf eine sehr sympathische Weise ehrlich, zudem sehr menschlich und absolut nachvollziehbar bekannte Prof. Bollmann, dass auch er alle paar Jahre „Hilfe“ benötige, um die ganzen Anforderungen, eben aus ethischer Sicht, zu bewältigen.

Bereits achtzig Jahre zuvor, sah diese unmögliche Last einer seiner beruflichen Ahnen voraus:

Als am 2. Januar 1925 Ernst Bumm starb und sein Schüler Walter Stoeckel Nachfolger an der Charité wurde, setzte sich dieser nachhaltig für den Schutz des ungeborenen Lebens ein und wies auf die verheerenden Folgen der Abtreibung hin. Er trat ebenso mit aller Entschiedenheit gegen den Abbruch aus sozialer und medizinischer Indikation ein. Immer wieder hat er davor gewarnt, den Arzt bei Problemen für zuständig zu erklären, die allein vom Staat in zweckentsprechender Weise gelöst werden können.

 

Nur wenige werden anno 2004 das Rad der Zeit zurückdrehen und Abtreibungen gänzlich verbieten wollen. Es gibt wenn auch selten Konstellationen, die diese rechtfertigen. Ob diese jedoch in diesem Ausmaß zu rechtfertigen sind, stelle ich hiermit in Frage.

Die Berliner Hebamme und Dipl. Psychologin Bettina Strehlau hat in ihrer 2003 vollendeten Diplomarbeit in Interviews mit Frauen nach Spätabbrüchen beobachtet, dass alle Frauen massive Schuldgefühle bezüglich ihrer Entscheidung tragen. Die ermittelten Ergebnisse dieser Arbeit legen den Schluss nahe, dass das derzeit bestehende System der Aufklärung über PND, möglicher Konsequenzen, sowie der unterstützenden Begleitung betroffener Frauen und Paare komplett versagt.

Zudem: Wenn die Tatsache, dass die unzureichende Vernetzung unterschiedlicher Institute der Behindertenförderung und damit die Mangelinformation der Eltern mit ein Grund sein sollte, dass Eltern ihr Kind abtreiben, ist das ein Skandal, der zum Himmel schreit!

Wo also sind die Behindertenvertreter bei Aufklärungsgesprächen und in Ethikkommissionen? Warum enthalten sie den Eltern und uns Profis diese Informationen vor? Auch ich habe 1000 Fragen, jetzt sollten wir endlich Antworten suchen und handeln!

Ich danke den MitarbeiterInnen der Charité ganz herzlich für ihre Offenheit, Geduld und Gastfreundschaft während meines Auftenthaltes, im besonderen Prof. Bollmann für seine Einladung.